In jedem "Nein" steckt ein "Ja"

In jedem Nein steckt ein Ja„Katja, der Report für das Meeting morgen früh ist noch nicht fertig, aber ich muss meine Tochter von der Kita abholen. Könntest du ihn noch schnell fertig machen? Bei dir geht das ja immer ganz schnell.“ Na klar, kann Katja das noch schnell machen. Sie kann auch in einen späteren Sportkurs gehen. Kein Problem.

„Jan, kannst du den Regeltermin mit unserem Kunden übernehmen? Mir zerschießt dieser Termin immer den ganzen Tag. Außer dir habe ich niemanden, der das übernehmen könnte!“ Natürlich kann Jan den täglich stattfindenden Termin übernehmen. Er kann seine anderen Termine ja drumherum legen. Kein Problem.

 „Hallo Alexandra, was machst du heute Abend? Kann ich vorbeikommen? Mein Freund war wieder so ätzend heute, ich brauche dringend jemanden zum Reden!“ Alex hatte sich auf einen gemütlichen Abend auf dem Sofa gefreut. Mit ihrem neuen Roman, einer Tafel Schokolade und viel Ruhe. Aber wenn ihre Freundin sie braucht... klar kann sie auf den ruhigen Abend verzichten. Kein Problem.

Kein Problem? Warum haben Sie dann dieses Gefühl im Magen? Jedes Mal, wenn Sie spontan Ihre Unterstützung zusagen. Oder eine weitere Aufgabe übernehmen. Oder Ihre eigenen Pläne über den Haufen werfen. Ohne über die Konsequenzen für sich selber nachzudenken. Ohne zu überlegen, ob Sie das wirklich wollen oder ob es wirklich Ihre Aufgabe ist.

„Ja“ sagen kann uns viele Konflikte ersparen

Hilfsbereitschaft ist eine liebenswerte Eigenschaft und wichtig für unser Miteinander. Jeder ist mal auf die Hilfe anderer angewiesen und es ist schön, sich darauf verlassen zu können und diese Hilfe auch zu bekommen. Es ist schön zu helfen. Wir fühlen dann, dass wir gebraucht werden, andere Menschen mögen uns wegen unserer Hilfsbereitschaft. „Ja“ sagen erspart uns Diskussionen und Konflikte – wer mag die schon.

Und warum dann trotzdem dieses Gefühl im Magen?

Weil wir nicht über die Möglichkeit des „Nein“ Sagens nachdenken. Wenn wir „Nein“ sagen, mögen uns die anderen Nein Kasten1nicht mehr. Dann helfen sie uns auch nicht, wenn wir mal Hilfe brauchen. Dann halten sie uns für zickig, unkollegial, denken, dass wir sie nicht mögen... kommen Ihnen diese Gedanken bekannt vor? Dann sind Sie in guter Gesellschaft, die kennen viele von uns.

In meinen Coachings begegne ich vielen Menschen, die sich überfordert fühlen in ihrem Job, in ihrem beruflichen Umfeld. Häufig stellt sich im Verlauf des Coaching-Prozesses heraus, dass es sich um engagierte Mitarbeiter, Führungskräfte, Eltern, Vereinsmitglieder handelt. Sie übernehmen Verantwortung und fühlen sich zuständig. „Wenn ich es nicht mache, bleibt es ja liegen.“ Und darum übernehmen sie jede zusätzliche Aufgabe, springen für andere ein und würden niemals jemanden zurückweisen, der um Hilfe bittet. Dafür werden sie gemocht.

Aber auch respektiert? Und wo ist die Verantwortung gegenüber sich selbst?

Es geht ja nicht darum, grundsätzlich "Nein" zu sagen. Es geht darum, für sich zu entscheiden ob, wann und wieviel ihr geben wollt. Es geht darum für Sie selbst zu sorgen. Wer immer die Arbeit der anderen miterledigt, hat weniger Zeit für die eigenen Aufgaben. Es kann sein, dass Ihre eigene Leistung darunter leidet. Es bleibt weniger Zeit für Sie und die Dinge, die Ihnen wichtig sind.                      

Eine bewusste Entscheidung braucht Zeit

Um eine bewusste Entscheidung zu treffen hilft es, nicht sofort wie aus der Pistole geschossen zu antworten. Nein Kasten 2Lassen Sie sich Zeit. Nehmen Sie sich eine Bedenkzeit. So werden Sie nicht von Ihren eigenen Hilfsbereitschaft überrollt und können in Ruhe abwägen, ob Sie Lust und Zeit haben und ob es sinnvoll ist.

  • „Ich muss erst mal in meinen Kalender sehen.“
  • „Das kann ich gerade nicht entscheiden. Ich melde mich in 20 Minuten bei dir.“
  • „Lass mich da mal drüber nachdenken. Ruf mich gleich nochmal an.“

Seien Sie freundlich im Ton und klar in der Sache. Machen Sie dem anderen keine falschen Hoffnungen, indem Sie „vielleicht“ oder „Ich werde sehen, was ich tun kann“ sagt. Es sei denn, Sie meinen es auch so. Es ist besser, von Anfang an „Nein“ zu sagen, als am Ende den Rückzieher erklären zu müssen. 

Und dann gönnen Sie sich eine bewusste Entscheidung. Alles ist erlaubt.

  • Eine Alternative, wie z.B. einen anderen Zeitpunkt, vorschlagen: „Heute Abend passt bei mir heute nicht. Wie wäre es mit einem Mittagessen morgen?“
  • Einen Kompromissvorschlag machen: „Ich bekomme das leider zeitlich auch nicht hin. Vielleicht können wir die Termine unter uns aufteilen?
  • Die Fortgeschrittenen können sich klar abgrenzen: „Nein, das möchte ich nicht. Das ist nicht meine Aufgabe / Verantwortung / darauf habe ich keine Lust.“
  • Und natürlich können Sie auch weiterhin sagen: „Klar, gerne.“ – solange es wirklich so ist.

Sie werden überrascht sein, wie gelassen und freundlich Ihr Umfeld reagieren wird. Es ist ja völlig legitim zu fragen – und genauso legitim abzulehnen!!! Denn Ihre Bedürfnisse und Wünsche sind genauso wichtig wie die der anderen. Und Sie sind für sich selbst verantwortlich!

Gestehen Sie Ihrem Umfeld eine kleine Umgewöhnungszeit zu, weil Sie nicht mehr ständig für alles zu haben sind. Und falls sich jemand deswegen von Ihnen zurückziehen sollte, mal ehrlich, dann ist das nicht Ihr Problem. Sie haben soviel mehr zu bieten!

Abgrenzung und Verbindlichkeit stehen nicht im Widerspruch zu Engagement und Verantwortung

Der nächste Schritt ist es, dann auch beim „Nein“ zu bleiben. Kürzlich sagte ein Teilnehmer im CoachingNein Kasten3 für Projektleiter: „Im „Nein“ sagen sind wir alle ziemlich gut. Aber es dann auch durchzuhalten und nicht doch irgendwann nachzugeben, das fällt uns schwer.“ Gerade bei wiederholtem Nachfragen, verbunden mit Komplimenten und dem Appell an die Hilfsbereitschaft würden er und seine Kollegen sich immer wieder von ihrer einmal getroffenen Entscheidung abbringen.

Wir haben dann viel über Abgrenzung, Verbindlichkeit und Verantwortung gesprochen und sind zu folgenden Erkenntnissen gekommen:

  • Eine bewusst getroffene Entscheidung, die auch beibehalten wird, schafft Verbindlichkeit und Stabilität, z.B. können sich Teams hinsichtlich ihrer Rolle und Aufgaben sicher sein.
  • Die bewusste Abgrenzung schützt eigene Kapazitäten und die des Teams.
  • Es ist meine eigene Verantwortung dafür zu sorgen, dass ich genügend Kapazität habe, um meinen Aufgaben gerecht zu werden und mich gleichzeitig vor Überlastung zu schützen.
  • Ggf. gehört es zu meiner Rolle meine Kollegen, Mitarbeiter, Familie abzugrenzen und zu schützen.

Wenn ich mir diese Aspekte bewusst mache, ändert sich meine Haltung zum „Nein“ sagen. Denn letztendlich ist jedes „Nein“ sagen ein „Ja“ zu etwas anderem.

„Nein, ich kann deine Aufgabe nicht miterledigen“ erzeugt gleichzeitig ein „Ja, ich habe genügend Zeit meine eigenen To Dos super zu erledigen.“

„Nein, wir können uns heute Abend nicht treffen. Ja, ich genieße einen ruhigen Abend mit meinem Buch.“

In diesem Sinne: "Ja" zum "Nein". Viel Erfolg beim Ausprobieren!

 

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